For my academic writings, please consult:
http://works.bepress.com/mehmetozkan/

June 23, 2009

Verändert die Hamas das Gleichgewicht im Nahen Osten?

Mehmet OZKAN

Perspektif, Juni 2009

Im Allgemeinen widmeten sich US-Präsidenten in ihrer zweiten und letzten Regierungsperiode dem Nahostproblem. Sie bemühten sich eine Lösung für den Palästina-Israel Konflikt zu finden, was ihnen aber entweder aufgrund von Zeitmangel oder einer ungünstigen politischen Lage nicht gelang. Daran hat sich in den letzten 40 Jahren so gut wie nichts geändert.

Im Unterschied zu seinen Vorgängern erweckt Barack Obama den Eindruck, als würde er sich unmittelbar nach dem Wahlsieg dem Palästina-Problem zuwenden. Die Ernennung eines Nahost-Sonderbeauftragten und die kontinuierlichen Besuche nach seinem Wahlsieg sind Signale einer neuen Nahost-Politik. Parallel zu diesen Entwicklungen durchläuft der Nahe Osten verschiedene Phasen der Veränderung und Umgestaltung. Insbesondere der Angriff Israels auf Gaza und der nachfolgende Regierungswechsel in Israel sind jedoch Hindernisse für Friedensversuche. Doch die zunehmende Befürwortung der Einbeziehung der Hamas in den Friedensprozess, die ihre Legitimität auf regionaler und internationaler Basis immer weiter bestärkt, stellt eine positive Entwicklung für den regionalen Frieden dar.

Der Angriff Israels auf Gaza im Januar 2009, der im gewissen Sinne dem Scheitern der bisherigen Nahostpolitik der Internationalen Politik gleichkommt, erfordert eine neue Herangehensweise. Der israelische Angriff erfolgte gleichzeitig mit dem Regierungswechsel in den USA, sodass Obama seine Aufmerksam schon sehr früh dieser Region schenken konnte und nochmals die Notwendigkeit einer Zuwendung auf diese Region auf die Tagesordnung bringen konnte. Im Rahmen dieser Entwicklungen zeigten sowohl die EU als auch die Vereinten Nationen erneut Interesse für diese Region, um eine Basis für Friedenslösungen zu schaffen. Der Knackpunkt dieses Problems ist, dass ohne die Unterstützung der USA der Erfolg von Friedensbemühungen sehr gering erscheint. Diese Tatsache gibt den internationalen Institutionen und Organisationen zunächst keine andere Möglichkeit als die Haltung Obamas bezüglich des Konfliktes abzuwarten. Für den neuen Präsidenten der Vereinigten Staaten, Barack Obama, der die Trümmer Bushs säubern und der Weltordnung im Namen der Vereinigten Staaten eine neue Legitimitätsbasis geben möchte, stellt der Palästina-Israel-Konflikt einen wichtigen Indikator für seinen Erfolg dar. Aufgrund der vorrangigen Notwendigkeit, die Beziehungen zum Irak und Afghanistan sowie die transatlantischen Beziehungen und das Verhältnis zu Lateinamerika auf eine neue legitime Plattform zu verschieben, bedeutet jedoch, das Obama und sein Team, die Überlegungen für nachhaltige Lösungsansätze für das Palästina-Israel-Problem erstmal auf Eis gelegt haben.

Die größte Ironie des Gaza-Krieges ist die Novellierung des Gleichgewichts innerhalb der Region. In einer Phase, in der die Legitimität der Hamas in Palästina stieg und die Einbeziehung dieser Partei in die Friedensverhandlungen angestrebt wird, wurde die Regierung der rechten Likud Partei übergeben. Die Koalitionsregierung des Ministerpräsidenten Netanyahu mit der rechtsradikalen ParteiYisrael Beiteinusowie die Benennung des Parteichefs der rechtsradikalen Partei Yisrael BeiteinuLiberman zum Außenminister schwächten die Friedenshoffnungen im Nahen Osten. Auch wenn Benjamin Netanjahu mehrere Male seine Bereitschaft zu Friedensverhandlungen geäußert hat, wird die Ernsthaftigkeit und Aufrichtigkeit dieser Äußerungen von vielen internationalen Beobachtern infrage gestellt und nicht für ehrlich befunden. Trotz alledem ermöglicht die neue Situation der israelischen Regierung, die Ernsthaftigkeit ihrer Absichten unter Beweis zu stellen.

Zu den Lehren des Gaza-Kriegs zählt unter anderem, dass ein Frieden ohne die Einbeziehung der Hamas unmöglich ist; vor allem angesichts des regionalen Gleichgewichts. Diese Ansicht teilt auch die Weltöffentlichkeit, was das Scheitern der Isolationspolitik gegenüber der Hamas angeht, die sich nach ihrem Wahlsieg im Jahre 2005 trotz dieser Politik zu behaupten versucht. Die seit fünf Jahren andauernden Bestrebungen, die Hamas auszugrenzen und zu schwächen sind nicht nur erfolglos geblieben, sondern haben ihrer Legitimität in der Region und in Palästinaeine neue Grundlage gegeben. Israels Versuch, die eigene Machtposition mittels Gewalt und Zerstörung des Gazastreifens, welches unter der Kontrolle der Hamas ist, zu festigen, hat der Legitimität der Hamas neue Wege eröffnet. Während die Türkei und Katar die Legitimität der Hamas akzeptieren, musste die Arabische Liga in seiner Geschichte zum ersten Mal offiziell zwei geteilte Sitzungen durchführen. Die Verhandlungen über den Waffenstillstand fanden zwar in Ägypten statt, sind aber durchaus nicht Ergebnis der ägyptischen Bemühungen, das sich qua Einfluss und Macht gerne als vermittelndes Land gesehen hätte.

Die Legitimation der Hamas nach dem Krieg bewirkte nicht nur die Entstehung einer neuen Atmosphäre auf internationaler Ebene, sondern auch auf regionaler Ebene in Palästina. Insbesondere die Akzeptanz der Meinung, dass ohne die Existenz der Hamas ein Frieden nicht möglich ist, löste erneut Diskussion über die palästinensische Einheitsregierung aus. In diesem Rahmen fahren die Verhandlungen in Ägypten fort und der palästinensische Präsident gab sein Amt auf, um diesen Friedensprozess zu beschleunigen. Auch wenn bis jetzt keine konkreten Ergebnisse erzielt worden sind, sollte die berechtigte Teilhabe der Hamas an den Verhandlungen als ein entscheidender Faktor für den regionalen Frieden aufgefasst werden.

Für den Frieden zwischen Israel und Palästina sind drei entscheidende Faktoren ausschlaggebend:eine gerechte Weltöffentlichkeit sowie eine gerechte USA; eine den Frieden anstrebende israelische Regierung; eine Einigung zwischen den palästinensischen Gruppen. Diese drei Faktoren haben den Friedensprozess bisher immer beschleunigt und zu Ergebnissen geführt. In Zeiten, in denen einer dieser Faktoren ausfiel, zeigten die Friedensinitiativen keinen Erfolg. Im Vergleich zu früheren Phasen zeigt die internationale Weltöffentlichkeit eine eher positive Haltung. Palästina durchläuft eine Genesung, aber neben der neuen Hoffnung gibt es keine ernsthaften Veränderungen. Der wichtigste Akteur, die israelische Regierung, die die Friedensbemühungen in eine sehr positive Richtung lenken kann, scheint eher eine distanzierte Haltung eingenommen zu haben, was das größte Hindernis für die Friedensverhandlungen darstellt.

Trotz der positiven Entwicklungen ist nach Ansicht vieler Analytiker die Lösungsfindung für den Palästina-Israel-Konflikt heute genauso schwer und kompliziert, wie früher. Die Einbeziehung der Hamas scheint für kurzfristige Friedensinitiativen nicht effizient zu sein, die Entwicklung als ganzes gilt aber als nachhaltige Friedensinvestition. Zu welchen Ergebnissen eine Nahostpolitik mit der Hamas in Palästina führen wird, wird die Zukunft zeigen. Zumindest kann man sagen, dass neue Perspektiven aufgezeigt wurden.

http://www.igmg.de/nachrichten/artikel/veraendert-die-hamas-das-gleichgewicht-im-nahen-osten.html

No comments: